Ein Gemälde der Residenzgalerie stellt sich vor!
Charles Le Brun (1619 Paris – 1690 Paris)
Porträt des Bildhauers Nicolas Le Brun, um 1635
Öl/Leinwand, 86,9 x 69,3 cm, Residenzgalerie Salzburg, Inv.-Nr. 254 © RGS/Ghezzi
Bereits in sehr jungen Jahren zeigte Charles Le Brun großes Talent, wie das Bildnis seines Vaters Nicolas Le Brun (?–1648), der als vornehm gekleideter Herr um 1635 von seinem Sohn abgebildet wurde, beweist.
Dem Betrachter zugewandt, einen roten Umhang dekorativ über die linke Schulter gelegt, verweist Nicolas Le Brun auf eine Statuette, die den sogenannten „Antinous vom Belvedere“ darstellt. Mit seiner rechten Hand umfasst er die kleine, auf einem flachen Steinquader stehende Plastik. Der Blick und die Gesten des Porträtierten weisen ihn als Urheber der Antinous-Statuette aus, die möglicherweise Studienzwecken diente. Die herumliegenden Formteile deuten auf einen eben vollendeten Gipsabguss hin.
Antinous, der während einer Ägyptenreise Hadrians im Nil ertrank, war ein Liebling des römischen Kaisers und wurde nach seinem Tod als Gott verehrt. Hadrian ließ am Todesort die Stadt Antinoopolis gründen sowie zahlreiche dem Gott geweihte Tempel und Statuen an verschiedenen Plätzen des römischen Imperiums errichten und Münzen prägen.
Erstmalige Erwähnung fand der sogenannte „Antinous vom Belvedere“ in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts. Die Statue erlangte ihrer Schönheit wegen rasch Berühmtheit und avancierte zu einem beliebten künstlerischen Thema in ganz Europa. Erst nachdem weitere Versionen der Statue aufgefunden worden waren, wurde offenbar, dass es sich um eine Darstellung des römischen Gottes Merkur handelt; den Namen „Antinous vom Belvedere“ behielt man aber bei.
Text: Dr. Thomas Habersatter (Kurator Residenzgalerie)
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Die bildhauerische Vervielfältigung und malerische Umsetzung des Antinous-Motivs im Frankreich des 17. Jahrhunderts lässt sich bis zu einem Abguss, den Francesco Primaticcio (1505–1570) um die Mitte der vierziger Jahre in Rom für König Franz I. von Frankreich anfertigte, zurückverfolgen. Durch Ergänzungen einiger Fehlstellen (rechte Hand und Tuch) und leichten Veränderungen (Haartracht), bildete sich ein „Ideal-Typus“ heraus, den folgende Künstlergenerationen wie beispielsweise der Bildhauer Nicolas Le Brun übernahmen und weitervermittelten.
Nicolas Le Bruns begabtester Schüler war sein Sohn Charles, der bereits als Kind in der Werkstatt seines Vaters mithalf und einige kleine Skulpturen und Zeichnungen anfertigte. Zur künstlerischen Ausbildung zählten neben der Bearbeitungstechnik Studien zu antiken Skulpturen und zeitgenössischen Werken. Charles erlernte den Umgang mit den spröden Materialien und die dreidimensionale Umsetzung. Diese Erfahrungen halfen ihm später als Maler den menschlichen Körper wie im Salzburger Gemälde plastisch durchzuformulieren. Neben der Funktion als „klassisches Porträt“ verweist der Maler auf die Fertigkeiten und die Bildung sowohl des Dargestellten als auch Darstellers.
Entscheidend für die malerische Entwicklung des jungen Le Brun war jedoch nicht sein Vater, sondern die Ausbildung bei François Perrier (1590/1600–1650) von 1632–1634 und Simon Vouet (1590–1649) in den Jahren 1634–1637. Seinen uneingeschränkten künstlerischen Führungsanspruch verdankte er den wichtigsten politischen Persönlichkeiten im Staat: dem Kanzler Pierre Séguier, Kardinal Richelieu und Finanzminister Nicolas Fouquet sowie seinem bedeutendsten Gönner, dem Ersten Minister Jean-Baptiste Colbert. Dank der Unterstützung von Séguier konnte Le Brun 1642 Nicolas Poussin (1594–1665) nach Rom begleiten und 1646 als begehrter Maler zurückkehren. Als Mitbegründer der Académie Royale 1648, als Direktor der königlichen Akademie ab 1668 und Direktor der königlichen Gobelin- und Möbelmanufaktur beeinflusste er nachkommende Künstlergenerationen. Le Brun war mit einem umfangreichen Mitarbeiterstab auch an der Ausgestaltung zahlreicher Königsschlösser beteiligt: u.a. in Fontainebleau, Versailles und dem Louvre in Paris.
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