Innenansicht des Salzburger Doms

Drei Innenansichten des Salzburger Doms aus dem 17. Jahrhundert

Die Westempore des Doms mit dem eindrucksvollen Blick in das Langhaus gehört zu den Hauptanziehungspunkten auf dem Weg durch das DomQuartier.

Wer sich näher für den Dom interessiert, sollte sich während der Ausstellung „Überall Musik!“ (noch bis 2. Jänner 2022) die seltene Gelegenheit nicht entgehen lassen, die drei einzigen bekannten künstlerischen Darstellungen des Dominneren aus der Barockzeit näher zu betrachten.


Zwei Ölgemälde und eine Grafik aus dem 17. Jahrhundert zeigen den unterschiedlichen Blick der Künstler, die manches vorbildgetreu wiedergegeben, anderes verändert oder weggelassen oder dem Anlass entsprechend hinzugefügt haben. Indem sie auch nicht mehr Existierendes überliefern, sind diese Bilder für die Ausstattungsgeschichte des Doms von außerordentlichem Wert.

Die Primiz des hl. Philipp Benitius (Nordoratorium)

Die Primiz des hl. Philipp Benitius, vor 1647, Erasmus Hämmerle, Öl auf Leinwand, Maria Luggau, Servitenkloster

Die Primiz des hl. Philipp Benitius, Erasmus Hämmerle

Das Bild ist eine Leihgabe des Servitenklosters Maria Luggau (Kärnten). Dort befinden sich weitere vier Bilder mit Szenen aus dem Leben des Ordensgründers der Serviten, Philipp Benitius. Eines davon ist mit „1649“ datiert. Warum der Maler die „Primiz“ ausgerechnet in den Salzburger Dom versetzt hat, ist nicht bekannt.

Johannes Neuhardt schreibt das Bild dem aus Werfen gebürtigen, in Lienz ansässigen Maler Erasmus Hämmerle († 1647) zu, der sich offenbar vor Ort genaue Kenntnis über den aufsehenerregenden Neubau des Salzburger Doms (geweiht 1628) angeeignet hat.

Viele charakteristische Merkmale sind gut erkennbar, vom Wandaufriss mit den Balkonen über die Sakristeiportale bis zum Muster der Bodenplatten unter der Kuppel. Der Hochaltar ist ähnlich gestaltet, statt des Auferstehungsbildes ist jedoch die schmerzhafte Gottesmutter als Patronin des Servitenordens zu sehen. Die dargestellte Messfeier ist bei der Wandlung angekommen, die musizierenden Engel auf den Pfeilerorgeln sorgen für jene himmlische Musik, von der in der Vita des heiligen Philipp Benitius berichtet wird.  

Die wichtigste Erkenntnis ist mit der Darstellung der vier Pfeilerorgeln verbunden. Erstens wird deutlich, dass zu den beiden östlichen Emporen hölzerne Aufgänge führten, die bis zum Abbruch der Orgeln 1859 bestanden. Zweitens sind auch die westlichen Pfeilerorgeln bereits vorhanden, die lange nach der Domweihe, aber jedenfalls noch unter Fürsterzbischof Paris Lodron (1619–1653) hinzukamen. Sie könnten zurzeit von Kapellmeister Abraham Megerle entstanden sein, möglicherweise um 1643. Erasmus Hämmerle muss sie jedenfalls in den Jahren vor seinem Tod 1647 gesehen haben.  

(Das Gemälde ist bis 2. Jänner 2022 im Nordoratorium, 1. Raum, zu sehen)

Melchior Küsells Innenansicht des Doms (Nordoratorium)

Innenansicht des Salzburger Doms, um 1675 vom Künstler Melchior Küsell, Kupferstich und Radierung, Salzburg, Erzbischöfliche Mensa

Innenansicht des Salzburger Doms, um 1675, Melchior Küsell

Die bekannteste Innenansicht ist jenes Blatt, das Melchior Küsell wohl 1675 zur Vollendung des Doms unter Fürsterzbischof Max Gandolph Graf Kuenburg (1668–1687) schuf. Die Widmungsinschrift erwähnt den Abschluss des wichtigsten noch ausständigen Projekts dieser Jahre, die Altäre der Seitenschiffkapellen: „Durch Dich erstanden die Altäre, welche aus Marmor in neuartiger Kunstfertigkeit errichtet wurden, zur größten Majestät“.

Der Stich gibt eine feierliche Pontifikalmesse mit dem Erzbischof, mehreren Bischöfen und anderen Würdenträgern wieder.

Dort, im Altarraum, sind auch zwei Gruppen von Chorsängern und Instrumentalisten zu erkennen, weitere Musiker drängen sich auf den Emporen der Pfeilerorgeln. Wer immer die Musizierpraxis im Salzburger Dom erläutern will, kommt an diesem Blatt nicht vorbei.

Insgesamt kennzeichnet das Blatt teils getreue Wiedergabe, teils freie Improvisation. Denn Küsell hat sich auch Freiheiten erlaubt, etwa das Weglassen der hölzernen Aufgänge zu den östlichen Pfeilerorgeln, wie sie das Bild aus Maria Luggau zeigt. Auch das hohe Gitter zwischen Langhaus und Kuppelraum, das es zu dieser Zeit längst gab, fehlt.

Das Licht kommt hauptsächlich aus dem nördlichen statt seitenverkehrt aus dem südlichen Querhaus. Die architektonische Gliederung, der Hochaltar mit der Auferstehung Christi und die Gewölbemalereien sind weitgehend vorbildgetreu wiedergegeben, erkennbar sind die großen Bilder am Gewölbejoch der östlichen Konche – die Himmelfahrt Christi, Gottvater mit Engelschören und der Besuch des Auferstandenen bei seiner Mutter; ebenso Christus in Emmaus und der Auferstandene inmitten der Apostel an der Gewölbekalotte. An Kuppeltambour und -gewölbe hingegen hat sich Küsell für Abendmahl, Kreuzigung, Himmelfahrt (?) und stehende Apostelfiguren anstelle der alttestamentarischen Szenen entschieden.


Ausschnitt der Innenansicht des Salzburger Doms als Kupferstich von Melchior Küsell, um 1675

Innenansicht des Salzburger Doms, um 1675, Melchior Küsell, Ausschnitt

Besonders beachtenswert sind die Evangelisten der Kuppelzwickel. Hier dürfte sich Küsell – ähnlich wie bei den Gewölbemalereien – an den existierenden Bildern orientiert haben. Als Einziger vermittelt er eine Ahnung von den originalen Evangelisten-Bildern Arsenio Mascagnis, die 1875 nach gravierenden Feuchtigkeitsschäden durch Neuschöpfungen von August Wörndle von Adelsfried ersetzt wurden. Küsell zeichnete an den östlichen Pendentifs die Evangelisten Lukas und Johannes. Fraglich ist, ob er die Seiten vertauscht hat, denn bis zur Zerstörung der Kuppel 1944 befand sich Johannes links, Lukas rechts. Erst an der wiederaufgebauten Kuppel wurde die Anordnung der Evangelisten grundlegend verändert, Matthäus und Markus wechselten von ihrer westlichen Position auf die gegenüberliegende Seite. Warum, ist nicht bekannt.     

(Das Gemälde ist bis 2. Jänner 2022 im Nordoratorium, 1. Raum, zu sehen)

Die Innenansicht aus den Kunstsammlungen der Erzabtei St. Peter (Lange Galerie)

Innenansicht des Salzburger Doms, Anfang 1654 (?), Öl auf Leinwand, Salzburg, Erzabtei St. Peter, Kunstsammlungen

Innenansicht des Salzburger Doms

Das aus dem Elsass stammende Bild eines unbekannten Malers harrt noch einer gründlichen Untersuchung.

Die Wappen der Domherren Adam Laurenz von Törring und Carl Virgil von Liechtenstein an den oberen Ecken des Bildes geben einen Anhaltspunkt für eine Datierung um 1640/1660. Für Wolfgang Wanko (Leiter Kunstsammlungen St. Peter), käme am ehesten die Zeit der Sedisvakanz, Anfang 1654, infrage.

Auffallend ist auch hier der Lichteinfall von links, d. h. aus nördlicher statt aus südlicher Richtung. Wurde hier eine Stichvorlage seitenverkehrt herangezogen, wie Adolf Hahnl vermutet? Das Schachbrettmuster des Fußbodens entspricht ebenso wenig der Realität wie die Einblicke durch die Langhausarkaden auf stuckumrahmte Wandbilder analog denjenigen am Tonnengewölbe.

Neben solchen Abweichungen gibt es aber auch Details von dokumentarischem Wert: Die Kanzel in sehr einfachen Formen gleicht jener, die Georg Pezolt 1836 zeichnete und 1859 einer neuen weichen musste. 1859 wurden auch das Abschlussgitter des Langhauses und die Pfleilerorgeln entfernt. Die offenbar bereits seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Einhausungen der vordersten Balkone blieben bis nach 1945 erhalten.

Bemerkenswert ist dieses Gemälde nicht zuletzt mit Blick auf die Evangelisten-Bilder. Aus den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wissen wir von Georg Pezolt, dass die Evangelisten ursprünglich monochrom (einfarbig) gemalt waren. Die „Innenansicht“ unterscheidet genau zwischen polychromen und monochromen Bildern und bestätigt Pezolts Überlieferung: Beginnend im Langhaus sind die kleinen monochromen Bildformate ockerfarben gehalten, wie auch die Bilder des Kuppeltambours und der Pendentifs. Der Maler hat nicht etwa alle weiter entfernten Bilder in einheitlichem Farbton wiedergegeben, sondern war bis ins Kleinste bestrebt, bunte Bilder durch Farbakzente abzusetzen.

Schon August Wörndle hatte 1875 im Dom die monochromen durch mehrfarbige Bilder ersetzt. Als nach dem Zweiten Weltkrieg das Ziel eine möglichst originalgetreue Wiederherstellung war, wurde die Chance, zu monochromen Evangelisten zurückzukehren, vielleicht auch aus Unwissenheit, nicht ergriffen – leider, denn angesichts der Malereien Hanns Fischers von 1956, die den Stil des 17. Jahrhunderts nicht treffen konnten und einen seltsamen Historismus des 20. Jahrhunderts darstellen, hätte etwas mehr Zurückhaltung nicht geschadet.  

(Das Gemälde ist in der Langen Galerie dauerhaft ausgestellt)

 

Text: Reinhard Gratz

 
Literaturhinweise:
Archiv der Erzdiözese Salzburg, Domkapitel, Domkustodie/Oeconomia 1/55/13–14
Ernst Hintermaier u. a. (Hrsg.), Kommentar zu Melchior Küsells Kupferradierung „Die Innenansicht des Salzburger Domes“ (um 1675), Veröffentlichungen der Salzburger Musikgeschichte 4, Salzburg 1992
Johannes Neuhardt, Die älteste Innenansicht des Domes zu Salzburg, in: Hans Paarhammer (Hrsg.), Deus Caritas, Jakob Mayr. Festgabe 25 Jahre Weihbischof von Salzburg, Salzburg 1996, S. 79–89
Peter Tenhaef, Neue Hinweise zu den Salzburger Domorgeln und -emporen im 17. Jahrhundert, in: Acta organologica 23, 1993, S. 113–12
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