Am 2. August 1952 wurde die seit 1938 geschlossene Residenzgalerie wiedereröffnet und neu aufgestellt. Der Sammlungsschwerpunkt verlagerte sich auf die Malerei des 16.-20. Jahrhunderts.
Die erste Ausstellung, von Land und Stadt Salzburg organisiert, fand von 15. Juni bis 15. September 1953 statt und war Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) gewidmet, anlässlich seines 160. Geburtstags.
„Man hätte die prächtigen Räume der Gemäldegalerie in der Salzburger Residenz nach ihrer Wiederherstellung nicht besser einweihen können als mit dem Werk Ferdinand Georg Waldmüllers, des größten österreichischen Malers im vorigen Jahrhundert.“, schrieben Salzburgs Bürgermeister und Landeshauptmann im Katalog-Vorwort.
Die bisher umfassendste Waldmüller-Schau, mit zahlreichen Leihgaben aus Wien, geriet zu einem großen Publikumserfolg mit über 40.000 Besucher:innen. Sensationell!
EINSCHUB: Viel Geld für das durchsichtige Ohr einer Kuh
Johann Rudolph Graf Cernin von und zu Chudenitz (1757-1845) – ein Neffe des letzten Salzburger Fürsterzbischofs, Hieronymus Graf Colloredo, – begann um 1800 zu sammeln. Seine hochkarätige Altmeister-Galerie erlangte Weltruf und war für ein interessiertes Publikum öffentlich zugänglich.
Unter jenen, die diese Möglichkeit in Anspruch nahmen, befand sich auch Ferdinand Georg Waldmüller. Er besuchte die Sammlung Czernin in Wien, um zu Schulungszwecken Gemälde zu kopieren, darunter Ruisdaels Landschaft mit Wasserfall, Adriaen van der Veldes Kanallandschaft oder Paulus Potters Viehaustrieb am Morgen.
Diese gehören zu jenen 70 Czernin’schen Gemälden, die das Land Salzburg ab 1956 ankaufte und der Residenzgalerie zu internationalem Ruf verhalfen.
Graf Czernin investierte hohe Beträge in den Kauf seiner Gemälde – eine Tatsache die sein Sohn Eugen Karl nicht immer nachvollziehen konnte.
Als der Vater mit Paulus Potters berühmtem Viehaustrieb am Morgen nach Hause kam, notierte der 17-Jährige in sein Tagebuch: „Heute kaufte Papa ein Gemälde von Potter der in seiner Art eincig seyn soll. Es bleibt aber denn doch ein Bild und weiter nichts, blos eine Nachahmung der Natur und dennoch kostet dieses Bild 21,000 Gulden. Das ist doch viel für ein durchsichtiges Ohr einer Kuh, während man für eine natürliche Kuh, die im Grunde weit schöner ist, höchstens 80 fl. gibt.“
Die Pracht des Einfachen
Ein Gemälde, das heute zu den Publikumslieblingen der Residenzgalerie zählt, war in der legendären Salzburger Waldmüller-Ausstellung 1953 nicht zu sehen: seine Kinder im Fenster aus dem Jahr 1828.
Fröhliche Kinder drängeln sich ans offene Fenster und blicken erwartungsvoll direkt auf ihr Gegenüber. Ein unspektakulärer Moment, von bestechender Intensität und Lebensnähe.
Grelles Sonnenlicht trifft auf harte Schlagschatten – mit dem scharf begrenzten Hell-Dunkel erreicht Waldmüller, der die „… plastische Wiedergabe von Licht und Schatten als Hauptsache …“ bezeichnete, eine unglaublich realistische Oberflächenwirkung der unterschiedlichen Texturen.
Die ausgebrochenen Stellen in Mauer und Fensterrahmen werden durch zarte, rosa blühende Rosenranken kaschiert – eine insgesamt faszinierende und präzise Detailwiedergabe, ohne sozialkritischen Anspruch.
Festtäglich gekleidete Bauernkinder waren ein damals beliebtes Bildthema, Fensterbilder ein klassisches Motiv der europäischen Kunst.
Vom Erhalt der Schönheit
Waldmüllers Publikumsliebling Kinder im Fenster bereichert seit 1970 den hochkarätigen Bestand der österreichischen Malerei des 19. Jahrhunderts in die Sammlung der Residenzgalerie.
Eine Restaurierung stand schon lange auf der To-Do-Liste, das Bild wies ästhetische Mängel auf, darüber hinaus waren substanzerhaltende Maßnahmen nötig.
Anfang 2023, im Jahr der Feier des 100. Geburtstags der Residenzgalerie, war es endlich soweit. Wann, wenn nicht jetzt?
In der Vergangenheit wurde das Gemälde umfassend restauriert. In der oberen Bildmitte, zwischen den beiden Köpfen im Hintergrund, klaffte ein verzweigter Riss.
Das – unbefriedigende – Ergebnis: eine stark glänzende Oberfläche, Teile der ursprünglichen Malerei verdeckt, der Oberflächencharakter verändert, tiefe Sprünge im Rissbereich, Haftungsverlust sowie Hochstellungen der Malschicht entlang der Ränder.
Es war also hoch an der Zeit, verdeckte kompositorische Details, die Raumwirkung und die Feinheiten der Malerei wieder sichtbar zu machen, den Riss fachgerecht zu verschließen, den Bereich zu stabilisieren und Fehlstellen optisch in das Bild zu integrieren.
Zunächst wurden bildgebende und naturwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die zeigten, dass die verdeckte, originale Malschicht größtenteils intakt war.
Die flächigen Übermalungen und der gegilbte Firnis wurden abgenommen, die originale Malschicht und der Riss freigelegt, Fehlstellen mit einer passgenauen Gewebeintarsie überbrückt sowie durch Kittung, Strukturaufbau und Retusche integriert.
Abschließend wurde eine dünne Schicht Naturharzfirnis appliziert. Damit kommen die Farben wieder voll zur Geltung.
Bei Ihrem Ausstellungsbesuch können Sie einen spannenden Blick hinter die Kulissen werfen, denn die Restaurierung wurde filmisch dokumentiert.
Kurze Sequenzen mit Erklärungen der durchgeführten Maßnahmen und Untersuchungen (Atelier Walde Wien, Naturwissenschaftliches Labor des Kunsthistorischen Museums Wien, Akademie der bildenden Künste Wien) bringen Ihnen die aufwändigen Arbeiten anschaulich Schritt für Schritt näher.
Video über die Restaurierung
Sonderausstellung: Von 0 auf 100. 100 Jahre Residenzgalerie, 100 Gründe zum Feiern
7.1. – 15.3. 2024 | Residenzgalerie
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