Im Konferenzzimmer der Residenz zu Salzburg fand kürzlich eine besondere Lesung mit Musik statt, eine Zeitreise ins Salzburg anno 1670, als Fürsterzbischof Maximilian Gandolph Graf Kuenburg das durchlauchtigste bayerische Kurfürstenpaar in Salzburg empfing.

Domenico Gisberti berichtete von diesem Besuch und eröffnete damit einen sinnlichen Eindruck vom opulenten, prachtvollen Leben am Salzburger Hof dieser Zeit.

Gisbertis Reisebericht wurde 2008 publiziert – übersetzt, kommentiert und mit einer Einleitung versehen von Irene Schrattenecker, die an diesem Abend daraus rezitierte.

Eine gute Gelegenheit für ein Gespräch mit Irene Schrattenecker über die Kunst des Übersetzens, barocke Reisebriefe und Salzburg als traditionellen Ort großer Empfänge für hohe Gäste.


Wie sind Sie auf Domenico Gisberti gestoßen?

Das war so, dass Wilfried Schaber, der Salzburger Kunsthistoriker und Denkmalpfleger, mir irgendwann einmal bei einem Treffen einen seiner Schätze mitgebracht hat. Es war ein 1670 erschienenes, auf Italienisch geschriebenes Buch, nur 13 cm hoch, knapp 8 cm breit, 191 Seiten stark, mit dem langen Titel Il Viaggio dell’AA.EE. di Baviera a Salzburgo, in giornate diviso, e all’Altezza Real di Savoia in lettere di Ragvaglio descritto.

Das war die Beschreibung der Reise, die den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria und seine Frau, die piemontesische Herzogin Enrichetta Adelaide, im August 1670 nach Salzburg, an den Hof von Fürsterzbischof Max Gandolf führte.

Der Gastgeber, der keine Mühen scheute: Fürsterzbischof Maximilian Gandolph Graf Kuenburg, um 1674 (Johann Friedrich Pereth ?, Detail, Erzabtei St. Peter, Kunstsammlungen)

Der Autor war eben ein gewisser Domenico Gisberti, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Wilfried Schaber hat mich dabei beobachtet, wie ich vorsichtig und fast ehrfürchtig in dem wertvollen kleinen Buch die Seiten umblätterte, und dann hat er gesagt: “Wäre das nicht was für Sie? Wollen Sie das nicht übersetzen?“

Zuerst habe ich einmal geschluckt, weil das Italienisch so barock verschnörkelt und schwierig war, aber dann habe ich die Herausforderung angenommen und den ganzen Text, der bis dahin nur in kurzen Abschnitten bekannt war, ins Deutsche übertragen. Ich habe den Text auch kommentiert, eine Einleitung geschrieben und schließlich mithilfe der Kulturellen Sonderprojekte des Landes 2008 im Verlag des SalzburgMuseum herausgegeben.


Wie war denn die Arbeit an der Übersetzung?

Das war unglaublich spannend! Wenn man einen Text übersetzt, muss man sich ja ganz genau auf jedes Wort einlassen, nachforschen, ob und wie sich der Gebrauch von Wörtern geändert hat, ob sich ihre Bedeutung verschoben hat usw. Das ist recht mühsam und zeitintensiv. Aber man lernt dabei auch unglaublich viel.

Die barocke Welt von 1670 war ja ganz anders als die unsere…

Ja! Allein schon das Reisen war ganz anders, und für uns, die wir an rasend schnelle Ortswechsel gewöhnt sind, fast unvorstellbar umständlich. Aber wenn dann vor einem die bunten Bilder einer fürstlichen Welt von vor 350 Jahren Satz für Satz im Kopf entstehen, ist das etwas ganz Tolles. Wie ein Film.

Die Vorstellung von der eindrucksvollen Reisegesellschaft mit den schweren Kutschen, den Reitern auf den festlich aufgezäumten Pferden, den Lakaien in bunt betressten Livreen, den vielen Trompetern… Die hatten ja für die Reise von München nach Salzburg alles Nötige dabei, um auch unter freiem Himmel angemessen versorgt zu sein: Rüstwagen voll mit Zelten, Tischen, Stühlen, Wäsche, Geschirr, Silberzeug, Gläsern, Besteck und köstlichsten Speisen. Nicht zu vergessen die Musikinstrumente für die Unterhaltung!  


Für wie viele Leute musste denn da gesorgt werden? Wer war denn außer dem Kurfürstenpaar noch dabei?

Das Kurfürstenpaar reiste mit 500 Leuten im Gefolge, das muss man sich einmal vorstellen!

Die beiden Kinder, Maria Anna und Max Emanuel, waren da, adelige Damen und Herren, Edelknaben, Lakaien und Kammerfrauen natürlich, auch Leibärzte und Apotheker, Beichtväter, Köche, Teller- und Silberwäscher, Bratspießdreher, Zuckerbäcker, Kellermeister, Friseure, Pferdeknechte, Einspänner und und und …

Die wurden alle auf der zehn Tage dauernden Reise von München über Zorneding, Ebersberg, Wasserburg, den Chiemsee, Traunstein, Reichenhall und den Walserberg nach Salzburg und zurück gebraucht, um für die standesgemäße Bequemlichkeit der fürstlichen Reisenden zu sorgen.

Kurfürstin Henriette Adelaide von Bayern (Gemälde von Paul Migrad; Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern (Gemälde von Paul Migrard; Bayerische Staatsgemäldesammlungen)


 

Dominico Gisberti, 1858 (Lithographie, Privatbesitz)

Und Gisberti?

Domenico Gisberti, gebürtiger Venezianer, war in München Hofpoet und Hofsekretär, er war zu Lebzeiten sogar am Kaiserhof in Wien und vom Papst in Rom hochgeschätzter Dichter und Redner. Er hatte die Aufgabe, die Reise zu dokumentieren und anschließend der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Quasi ein Hofberichterstatter, Pressesprecher, PR-Fachmann, Social Media-Beauftragter des Barocks!

Waren auch Maler im Gefolge? Heute wären Fotografen dabei…

Nein, von Malern im Gefolge weiß ich nichts. Es ist auch nie von Gemälden die Rede. Peter Laub vom Verlag und ich hätten für das Buch natürlich gern Illustrationen von dem gehabt, was Gisberti beschreibt. Aber leider konnten wir keine finden.

Schade auch, dass Gisberti die Musik kaum erwähnt, die zweifellos damals am Salzburger Hof gespielt wurde. Nur von der Aufführung des „Orfeo“ – höchstwahrscheinlich meint er den von Monteverdi – erfährt man. Dabei waren in der Salzburger Hofkapelle so berühmte Komponisten und Musiker wie Stefano Bernardi (1577-1637), Johann Stadlmayr (1575-1648), Andreas Hofer (1628–1684) Georg Muffat (1653-1704) und Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704)!


Gisberti berichtet in Briefform, nicht wahr?

Ja. Der fiktive Adressat der 27 Briefe ist der Bruder von Enrichetta Adelaide, Carlo Emanuele II, Herzog von Savoyen. Vorgeblich für ihn schreibt er die Berichte von den besuchten Orten, streut er Historisches ein, erklärt er Herrschaftsverhältnisse, beschreibt er bemerkenswerte Bauwerke und alle Empfänge und Lustbarkeiten, die Max Gandolf zu Ehren der Gäste veranstalten ließ.


Gibt es Briefe, die Ihnen besonders gefallen?

Unglaublich schön finde ich die Hellbrunn-Briefe. Gisberti hatte einen so aufmerksamen Blick auf die Dinge und konnte so lebendig beschreiben, dass man sich die gläserne Durchsichtigkeit des Wassers, seine Verwandlungen, die „hinterlistigen“ Wasserspiele genau vorstellen kann. Die Beschreibung des Hellbrunner Steintheaters finde ich auch so besonders… Und wenn er sagt, Salzburg komme ihm vor „wie ein kleines Rom“ und in Hellbrunn finde er „die Wasser Venedigs“ wieder, dann geht mir als Salzburgerin natürlich das Herz ganz weit auf!

Interessant finde ich, was Gisberti über die Salzburger schreibt:  Die Landleute seien „Barbaren“, sagt er, die Stadtbewohner „wahrhaft Deutsche“, die einen wie die anderen „von aufrichtig ehrlichem Gemüt und von robustem Körperbau“. Von den Adeligen schreibt Gisberti, dass sie „viel Französisches“ haben, gute Gastgeber seien, bei solchen Gelegenheiten „in großem Glanz erscheinen.“

Über die Kleidung erfährt man, dass die des „gemeinen Volkes“ „deutsch“ sei, „italienisch“ die der Kaufleute, die der Frauen eine Mischung aus diesem und jenem. Die reichen Salzburgerinnen schmückten sich offenbar mit goldenen Armbändern, die Reichsten und Vornehmsten orientierten sich – nicht überraschend – an den „modischen Neuheiten der Höfe ringsherum“. Die Livreen der Diener zu Fuß und der Leibgarde zu Pferd waren offenbar violett, hatten Bordüren aus rotem Samt.

Dass Fürsterzbischof Max Gandolf sehr prunkliebend war, weiß man ja, und Gisberti bestätigt es, wenn er schreibt, dass er beim Gottesdienst das liturgische Gewand eines Kardinals trage und weltliche Vergnügungen fürstlich genieße. Das Gleiche gelte, sagt Gisberti, auch für alle anderen geistlichen Würdenträger Salzburgs.


Hat Sie etwas besonders beeindruckt?

Was Gisberti über die Vergnügungen und Unterhaltungen schreibt, die den Gästen geboten wurden, ist erstaunlich und mutet fremd an. Wenn da eine Bärenhatz im Mirabellgarten, bei der die blutrünstigen Hunde den Bären zerfleischten, als anmutiger Zeitvertreib beschrieben wird, ist das wahrscheinlich für die meisten von uns eher befremdlich. Ebenso, dass beim Schifferstechen eine lebende Gans mit den Füßen an einem Seil festgebunden wurde und die um den Sieg kämpfenden Schiffer, im Boot stehend, das Tier erfassten und es zerquetschten.

Eindrucksvoll ist auch Gisbertis Beschreibung des die Festlichkeiten abschließenden Feuerwerks. Das dauerte zwei Stunden und muss ein ganz großes Feuerspektakel gewesen sein.


„Nachdem  der Himmel sich in Finsternis gehüllt hatte … wurden im Wasser hundert Feuerbrunnen entzündet, an den Ufern der Salzach ein Flammenmeer, die Nacht wandelte sich zum Tage und das furchtbarste Element zum ergötzlichen Spektakel. Der Fluß war ganz brennender Glanz, und an den Ufern schien es, als ob Troja brennte oder Archimedes eine Kriegsflotte in Brand gesteckt hätte. Ein einziger Donner schleuderte hundert kleine Blitze in die Höhe, in einem Aufleuchten fielen die Blitze zu Tausenden herab, und indem die flammenden Lichter durch die Dunkelheit strichen, säten sie Himmel voller Sterne, regneten Wolken von Lichtern herab, und zwischen Wolken aus Funken und Fünkchen verlosch in wenigen Augenblicken eine Lichterflut. Eine fortgesetzte Belagerung, einen unablässigen Angriff täuschte das Dröhnen der bronzenen Kanonen vor, das Explodieren der Geschoße, der tosende Lärm des Feuers. Wie viele Spiele es gewesen sind, wie viele Künste, Maschinen, mit Hilfe derer die Flammen sich wie Räder drehten, das Licht wie Pfeile flog, die Blitze sich im Bogen schlängelten, das Sonnenlicht nachgeahmt, die Glut der Sterne imitiert und funkensprühend ein entzückendes Inferno vorgestellt wurde, weiß die Redegewandtheit nicht wiederzugeben. Die gewaltige Masse entflammte in den anmutigsten  und verschiedenartigsten Formen, das Feuer wurde auf die merkwürgigste und ungewöhnlichste  Art zerstört, und dieses Fest währte zwei Stunden.“

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