Betende alte Frau
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606 - 1669)
Rahmenmaß 29,9 x 26,3 x 3,5 cm
Rembrandt schenkt uns mit diesem kleinformatigen Frühwerk eine exzellente Kostprobe seines besonderen Sinnes für das Material. Vielfache Lasuren mit vereinzelten Weißhöhungen lassen die faltige, dünne Haut der gealterten Hände beinahe durchscheinend wirken. Dagegen erscheint das runzelige, fast zahnlose Gesicht der ins Gebet Versunkenen wie aus Farbe geformt, ähnlich wie die Partie des Kopftuches aus Krapplack. Die Textur des Pelzes bearbeitet er mit dem Pinselstiel.
Besonders bemerkenswert ist der Bildträger. Rembrandt verwendet eine Kupferplatte. Kein ungewöhnliches Material, da es den Farben mehr Glanz verleiht. Allerdings greift er nur drei Mal darauf zurück (Nationalmuseum Stockholm, NM 5324 und Mauritshuis Den Haag, 598; ebenfalls 1629/30 in Leiden entstanden).
Wesentlich ist die Grundierung mit Blattgold, die das aus starken Hell- Dunkel-Kontrasten aufgebaute Bild effektvoll zum Leuchten bringt. Die Verbindung von Feinmalerei und „rower manier“, die sein späteres Werk bestimmt und von der zeitgenössischen Kritik weitgehend abgelehnt wird, macht dieses Werk zu einem Ereignis.
Vorbild ist vermutlich Rembrandts Mutter Cornelia N. Willemsdochter van Zuytbroek (gest. 1640). Wie andere Familienmitglieder ist sie häufig Modell für Werke der Leidener Zeit. Das Bildnis, seit 1762 auch als „Rembrandts Mutter betend“ bekannt, ist jedoch nicht das Porträt jener Person, sondern eine sogenannte „Tronie“ (holländisch für Gesicht/ Kopf). Jan Lievens trägt entscheidend zur Entwicklung dieser bei Sammlern sehr begehrten Bildgattung bei. Dabei handelt es sich nicht um die Darstellung einer bestimmten Person. Zwar arbeitet der Künstler nach dem lebenden Modell, konzentriert sich jedoch darauf, den besonderen Typus zu erfassen.
OEHRING Erika: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Betende alte Frau, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 54