Der ungläubige Thomas
Guercino, eigentl./in reality Giovanni Francesco Barbieri (1591 - 1666)
Rahmenmaß 94,5 x 128,5 x 6,6 cm
Guercino ist ein unermüdlicher Arbeiter mit großer Werkstatt und sicherer Hand für Konturen und Farben. Am Beginn seiner Karriere sind die Figuren wie beim Ungläubigen Thomas vom Realismus Caravaggios geprägt. Er verwendet ein kraftvolles, toniges und warmes Kolorit mit weichen Übergängen und einer flüssigen Vortragsweise. Licht- und Schattenkontraste sowie stark angeschnittene Akteure unterstreichen die Dramatik des Geschehens.
Im Gemälde der Residenzgalerie Salzburg konzentriert sich der Künstler auf die beiden Hauptpersonen. Es ist eine Version unter mehreren Fassungen gleichen Themas, die auf ein 1621 entstandenes Werk zurückgehen, das sich heute in der National Gallery in London befindet, wo im Hintergrund drei Apostel als Zeugen auftreten (Inv. Nr. NG3216).
Zu Christus mit nacktem Oberkörper und der Auferstehungsfahne tritt von rechts kommend Thomas heran, der seine Finger in die Seitenwunde Jesu legt. Guercino bezieht seine Komposition auf das Johannesevangelium, in dem von den Zweifeln des Apostels am Erscheinen Christi berichtet wird: „Wenn ich (…) meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Joh 20, 24–29) Acht Tage später geschieht, was Thomas von seinem Gott verlangt hat.
Gesicht und Oberkörper des Ungläubigen sind verschattet, die rechte Hand, der durchmodellierte muskulöse Nacken und die linke Schulter treten hell aus den dunklen Partien hervor. Die Silhouette des Kopfes hebt sich von dem in Brauntönen gehaltenen, nicht näher definierten Bildraum ab.
Zwei Eigenschaften Guercinos sind uns übermittelt, die auch für andere Künstler gelten: Vor Auslieferung bestellter Gemälde werden diese in seiner Werkstatt gelegentlich kopiert und das Honorar wird in der Regel pro Figur festgesetzt.
HABERSATTER Thomas: Guercino, eigentl. Giovanni Francesco Barbieri, Der ungläubige Thomas, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 16