Heilige Familie mit hl. Elisabeth und Johannesknaben

Sébastien Bourdon ist ein geschickter Maler, der sich in fast allen Gattungen – Historie, Genre, Porträt oder Landschaft – betätigt und das sowohl in der Staffelei- als auch Dekorationsmalerei. In Rom gestaltet er für einen Kunsthändler Bilder im Stile von Lorrain, Sacchi, van Laer, Castiglione, Poussin oder Ludovico Carracci.
Seine Bilder sind von außergewöhnlicher Farbigkeit und ausgeklügelter Lichtregie, wie das Salzburger Werk zeigt. Das Gemälde schildert eine Rast der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten und die Zusammenkunft mit Elisabeth und dem Johannesknaben. (Mt 2, 13–15)
Maria und das Jesuskind werden durch die Lichtführung gleich einem Scherenschnitt herausgehoben und farblich akzentuiert. Der Künstler arbeitet mit starken Kontrasten und verschiedenen Ebenen, wobei er das leuchtende Blau, Rot und Weiß der Kleidung sowie das helle Inkarnat der Haut der getrübten, erdfarbenen Umgebung gegenüberstellt. Lediglich der Johannesknabe, der Christus das Kreuz für seine künftigen Leiden überreicht, und Josef, der nach langem Marsch kniend eine Schale mit Wasser füllt, werden noch durch einen schwachen Lichtstrahl hervorgehoben. Licht und Farbe nutzt Bourdon zur Modellierung der menschlichen Körper.
Den Hintergrund bildet eine ruinöse, nicht näher definierte, auf der rechten Seite mit schnellen Pinselstrichen gestaltete Landschaft. Die halb verfallende Pyramide links könnte eine Anspielung auf die Cestius- Pyramide in Rom sein. Die Ägyptenbegeisterung der Römer zur Zeit des Augustus veranlasste den Prätor und Volkstribunen Caius Cestius, sich an der Straße nach Ostia ein Grabmal in Form einer Pyramide (vor 12. v. Chr.) errichten zu lassen.

HABERSATTER Thomas: Sébastien Bourdon, Heilige Familie mit hl. Elisabeth und Johannesknaben, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 118