Hirtenknabe

Piazzettas außergewöhnliche Darstellungsweise eines Bauernmädchens und Hirtenknaben zeigt sich bereits in der Wahl des Bildformates – einem Queroval. Der Junge ist stark angeschnitten, das leicht nach hinten fluchtende Gesicht durch eine große Kopfbedeckung teilweise verdeckt. Beim schlafenden Mädchen ist der Blickwinkel von vorne gewählt, wobei der Künstler durch das tiefe Dekolleté den intimen, lasziven Charakter betont.
Piazzettas Stil zeichnet sich durch ein klar abgesetztes Helldunkel mit gediegenem Farbaufbau und lebendig vibrierender Hautoberfläche aus. Bei den jugendlichen Figurenbildnissen orientiert sich der Künstler an den Halbfiguren Caravaggios. Von Crespi übernimmt er das Genrehafte und den unpathetischen Realismus der Darstellungen sowie den rustikalen volkstümlichen Charakter. Seit den 90er-Jahren gilt Crespi als Hauptmeister der bolognesischen Malerschule. Sein Werk zeichnet sich vor allem durch eine Verbindung des klassischen Ideals der Brüder Carracci und Guido Renis (1575–1642) mit der Komposition und Farbigkeit Guercinos (1591–1666) aus. Das erotische Element findet Piazzetta in der holländischen Malerei des 17. Jh.s.
Zwei vergleichbare Gegenstücke sind im Besitz des Museum of Fine Arts, Boston. Beide Bilder werden um 1720, weitere, ähnlich ausgeführte Werke in die 20er-Jahre des 18. Jh.s datiert. Die Salzburger Gemälde zeigen immer noch Einflüsse aus der Bologneser Zeit Piazzettas und dürften daher nicht viel später entstanden sein als die oben angeführten Beispiele. Eine Datierung in die frühen 20er-Jahre scheint deshalb gerechtfertigt.
Neben zahlreichen Aufträgen für Ölgemälde, ist Piazzetta unter seinen Zeitgenossen für seine qualitätsvollen Zeichnungen und Buchillustrationen bekannt.

HABERSATTER Thomas: Piazzetta Giovanni Battista, Bauernmädchen, Hirtenknabe, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 18