Kopf eines bärtigen Mannes

Neben großflächigen Fresken entstehen zahlreiche Zeichnungen und kleinformatige Ölbilder. Es sind Genreszenen, mythologische oder religiöse Darstellungen sowie Porträts, die beim Publikum großen Anklang finden und dem Maler ein einträgliches Leben bescheren.
Zu seinen charakteristischen Arbeiten zählt der ihm zugeschriebene Kopf eines bärtigen Mannes. Sensibel in Gestalt, Licht und Farbe zeigt Giovanni Domenico einen vom Leben gezeichneten älteren Mann. Mit hochgeschlagenem Pelzkragen, schmuckverziertem Barett und ausgeprägter Nase, leicht nach links gewandt, blickt er den Betrachter aus tiefliegenden Augen fest an. Bart, Pelzkragen und Gesicht sind mit feinen Farbabstufungen plastisch durchmodelliert, wobei den akkurat ausgearbeiteten Gesichtspartien die rasch gesetzten Pinselstriche des flauschig gelblichen Kragens und weißgrau abgestuften Vollbartes gegenübergestellt werden. Mit nur wenigen Farbnuancen schafft er einen harmonischen Gesamteindruck. Der in Brauntönen verlaufende Hintergrund unterstreicht die zeitlose Eleganz des Porträts.
Von seinen Malerkollegen allseits respektiert, wird Giovanni, wie bereits sein Vater, für vier Jahre von 1780–1783 zum Präsidenten der Accademia di pittura e scultura von Venedig gewählt. Sein Spätwerk zeichnet sich durch einen einfachen Figurenaufbau und eine weichere Farbgebung aus. Die Genreszenen sind ein Sittenbild der venezianischen Gesellschaft und eine Anspielung auf den ebenso politischen wie moralischen Verfall des „ancien regime“.

HABERSATTER Thomas: Tiepolo Giovanni Domenico, Kopf eines bärtigen Mannes, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 28