Landschaft mit Hirten und Herde

Zwar zeigt Faistenberger in seiner "Landschaft mit Hirten und Herde" keinen südlichen Landschaftsprospekt mit Tempeln, Ruinen, antik gekleideten Figurenstaffagen oder Historien, also mythologischen, christlichen oder geschichtlichen Ereignissen – wie bei der von ihm gemalten "Auffindung des Mosesknaben" –, jedoch greift er in Grundzügen noch auf das Kompositionsschema der italienischen Ideallandschaft zurück. Annibale Carracci wird traditionell als deren Begründer angesehen. Einerseits orientierte sich Carracci an der venezianischen Malerei des 16. Jahrhunderts, wie sie z. B. Giorgione (1477 od. 1478–1510), Tizian (1488/1490–1576) oder Paris Bordone (1500–1571) pflegten, andererseits zeigte er sich den in Rom um 1600 tätigen niederländischen Malern wie etwa Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625) und Paul Bril (1553/54–1626) gegenüber aufgeschlossen. Bezeichnend sind eine weite Landschaft, ein Flusslauf, Berge in bläulich schimmernder Ferne, in die Umgebung eingebettete Figurengruppen oder der sich im Wolkenhimmel spiegelnde Glanz der Sonne. Die Bildvordergründe sind bühnenhaft ausgebildet und seitlich von Bäumen, Felsmassiven, Ruinen oder Ähnlichem gerahmt.
Bei Faistenberger ersetzt der von einer Mauer umgebende Weiler das in Ideallandschaften meist als obligat angesehene antikisierende Bauensemble. Baumgruppen mit buschigen Kronen in zarten, leicht getrübten Farbtönen akzentuieren die vordere und mittlere Bildebene. Die zentral angeordneten Hirten und Schiffer erinnern ein wenig an die Figuren Salvator Rosas. Das kleinformatige Gemälde weist somit Elemente auf, die seine Entstehung im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts vermuten lassen.

Habersatter Thomas: Österreichische Barocklandschaften 1600 – 1800. In: Thomas Habersatter, Ducke Astrid (Hrsg.): Natur wird Bild. Österreichische Barocklandschaften. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2021, S. 41-93, Anton Faistenberger, Landschaft mit Hirten und Herde, S. 49, Abb. 14, S. 51