Landschaft mit Staffage
Rahmenmaß 102,5 x 147,5 x 9 cm
Die flämische Landschaft
Auf Tafelbildern tauchen Landschaften als eigenständiges Motiv zunächst in den Niederlanden auf. Als Begründerder niederländischen Landschaftsmalerei wird der in Antwerpen tätige Joachim Patinir (um 1480–1524) angesehen,den bereits Albrecht Dürer (1471–1528) nacheinem persönlichem Treffen 1521 in seinem Tagebuch als
"Landschaftsmaler" rühmt. Patinir, der an Hieronymus Boschs (um 1450–1516) Hintergrundlandschaften anknüpft, entwickelte um 1515/1520 sogenannte "Weltlandschaften". Das sind Überblickslandschaften, die durch eine Vogelschau mit hohem Blickpunkt eine weite Sicht auf einen Geländeausschnitt ermöglichen.
In den folgenden Jahrzehnten rückt der Betrachter-Innenstandpunkt wie bei Jacob Grimmers (1525/1526–um/nach 1590) "Landschaft mit Staffage" von 1575 beträchtlich nach unten. Der Antwerpener Künstler ist ein Zeitgenosse Pieter Bruegels d. Ä. (um1526/1530– 1569), der die flämische Landschaftsmalerei zum Höhepunkt führte und dessen Jahreszeitenbilder im KunsthistorischenMuseum in Wien einen wunderbaren Einblick in dessen Schaffen geben.
Grimmer war ausschließlich Landschaftsmaler. Zeitgenossen schätzten seine von sanften Hügeln gegliederten, mit Bauerngehöften und Dörfern, Wäldern, Wiesen,
Feldern, Flüssen und Wegen durchwobenen und mit figürlichen Staffagen belebten Ansichten, die einen Ausblick in eine verschwommene Ferne bieten, wie das bei
dem hier gezeigten Gemälde gut zu sehen ist. Einzelne Ausschnitte wie die Siedlung, die Bauernhäuser oder die flachwellige Landschaft erinnern an seine brabantische
Heimat. Dennoch ist es eine mit viel Fantasie gemalte Scheinwelt, die lediglich eine Annäherung an die Wirklichkeit darstellt.
Im Gegensatz zum oben besprochenen Gemälde Bordones, der die Bildebenen schichtet und damit deutlich voneinander absetzt, führt bei Grimmer ein gewundener Weg vom Dorfplatz links hinten zum Bildvordergrund. Dadurch verbindet er die einzelnen Landschaftsebenen und schafft es, den Bildraum als Einheit überzeugend darzustellen. Es entsteht ein kontinuierlich verlaufender
Tiefenraum. Das Bildkolorit folgt aber immer noch, wie beim mehrschichtigen Aufbau Bordones, der Staffelung von Braun, Grün und Blau.
Das zentrale Motiv ist der mittig angeordnete Baum mit buschiger, dunkelgrüner Krone, die sich vom wolkenverhangenen Himmel abhebt. Rechts am Baum vorbei
blickt man von oben auf eine grasende Schafherde, deren Weide von einem Bachlauf begrenzt wird.
In dieser Art der Bilddarstellung ist bereits die holländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts in Grundzügen angelegt, auch wenn der Horizont noch viel zu hoch und die Unmittelbarkeit der Landschaftsdarstellung mit all ihren (Natur-)Phänomenen bei Weitem nicht erreicht ist.
Grimmer zeigt eine liebliche, gleichsam idyllische Landschaft, die nicht so recht mit der des Weges ziehenden Schar von Soldaten zusammengeht. Möglicherweise
eine Andeutung an die kurz vor Entstehung des Gemäldes 1568 ausgebrochenen Kampfhandlungen zwischen den nördlichen Provinzen und der spanischen Krone, die nach achtzig Jahren mit der Anerkennung der "Republik der Vereinigten Niederlande" – kurz "Holland" genannt – endeten. Marodierende Truppen verwüsteten und plünderten in diesen unruhigen Zeiten ganze Landstriche und versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken.
Die detailliert ausgearbeiteten Staffagefiguren, die durch ihre Drapierung farbliche Akzente setzen, wurden zuweilen durch Lucas van Valckenborch (1535/1536–1597)
oder Gillis Mostaert (1528–1598) ausgeführt. Die sehr qualitätsvolle Gestaltung im besprochenen Gemälde "Landschaft mit Staffage" könnte auf Valckenborch hindeuten.
Habersatter Thomas: Natur wird Bild. Die flämische Landschaft. In: Thomas Habersatter, Ducke Astrid (Hrsg.): Natur wird Bild. Österreichische Barocklandschaften. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2021, S. 17-29, Jakob Grimmer, Landschaft mit Staffage, S. 19, 20, 23, Abb. 2, S. 21.